NOFV-Oberliga Süd • 8. Spieltag
FC Grimma – VfB Germania Halberstadt 2:1 (0:1)
Grimma: Böhm – Markus, Bartsch, Gomes (ab 78. Pistol) – Goldammer, Worbs (ab 67. Mattheus), Ziffert, Schubert – Hübner, Kind, Förster – Trainer: Behring
Halberstadt: Cichos – Martinez (ab 68. Matthias), Baudis, Kleeschätzky – Vukančić (ab 46. Altin), Hujdurović – Arnold (ab 74. Rust), Klaschka, Poser, Hackethal – Baro – Trainer: Rost
Schiedsrichter: R. Lorenz (Bad Langensalza) – Schiedsrichter-Assistenten: Wartmann (Großvargula), Poser (Weimar) – Tore: 0:1 Baro (35.), 1:1 Baudis (79., Selbsttor), 2:1 Hübner (87.) – Gelbe Karten: Schubert (Grimma) wegen Foulspiels (38.), Worbs (Grimma) wegen Foulspiels (63.), Mattheus (Grimma) wegen Foulspiels (67.) – Reservebänke: Tsarenko (Tor), Pechmann, Spreitzer – Guderitz (Tor), Oikonomidis, Ertmer, Huber – Zuschauer: 83 im Husaren-Sportpark zu Grimma
Grimma. Manchmal schreibt der Fußball die unfassbarsten Geschichten. Nach den schwachen Auftritten gegen Freital (1:3) und in Ludwigsfelde (0:1) war für die Oberliga-Kicker des FC Grimma das Heimspiel gegen den VfB Germania Halberstadt aufgrund der Spielanteile und der klaren Chancenvorteile der Gäste eigentlich nicht zu gewinnen – doch am Ende des Tages tüteten die Muldestädter gegen ein Schwergewicht der Staffel trotzdem einen 2:1 (0:1)-Heimsieg ein. Dabei ist die Geschichte der Partie schnell erzählt. Weit über 60 Minuten waren die Gäste aus Sachsen-Anhalt die klar spielbestimmende Mannschaft und hätten die Begegnung frühzeitig zu ihren Gunsten entscheiden müssen. Doch eine völlig inkonsequente Chancenverwertung machte dem ehemaligen Regionalligisten diesbezüglich einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Hinzu kam, dass die Germania den Gastgebern mit einem kuriosen Selbsttor den Wiedereintritt in die Partie ermöglichte. Die Muldestädter nutzten indes das Momentum und bogen mit einem direkt verwandelten Freistoß drei Minuten vor Schluss sogar noch auf die Siegerstraße ein. Des einen Freud, des anderen Leid – Halberstadts Trainer Manuel Rost brachte die 90 Minuten in der anschließenden Pressekonferenz auf den Punkt. „Heute hat man gesehen, dass wir eine gute Mannschaft, aber keine Top-Mannschaft der Oberliga sind“, so der Gäste-Coach. „Wir haben uns eine Vielzahl von Tormöglichkeiten erarbeitet, doch haben wir einfach verpasst, den zweiten und dritten Treffer zu erzielen. Dadurch haben wir den Gegner am Leben gelassen, der über 60 Minuten schwer Zugriff auf uns gefunden hatte. Nichtsdestotrotz ist Fußball jedoch ein Ergebnissport, dies haben meine Jungs heute gelernt. Der Gegner hat bis zum Schluss immer daran geglaubt und ja, wenn wir das Spiel nicht entscheiden, ist der Grimmaer Sieg daher auch nicht unverdient. Nichtsdestotrotz haben wir diesbezüglich entscheidend mitgeholfen, da wir im Umgang mit unseren Tormöglichkeiten einfach viel zu uneffektiv waren.“ Auf der anderen Seite war René Behring natürlich bester Laune. „Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, dass unser Sieg heute glücklich ist“, resümierte der Grimmaer Trainer. „Wichtig war jedoch, dass die Mannschaft trotzdem bis zum Ende an ein positives Ergebnis geglaubt hat. Wenn Halberstadt uns einen zweiten Treffer einschenkt, wird es natürlich schwer. Doch so ist ein Tor immer aufzuholen, das hat die Elf in dieser Saison schon mehrfach bewiesen. Demzufolge wäre ich aufgrund der Gesamtumstände und vom Spielverlauf her letztlich mit einem Unentschieden zufrieden gewesen – dass wir die Begegnung sogar noch ganz drehen konnten, ist natürlich umso schöner.“
Dabei sahen die Zuschauer im Husaren-Sportpark zunächst eine Partie, in der die personell arg gebeutelte FC-Truppe dem Gegner frühzeitig hinterher lief. Halberstadt glänzte mit einer gekonnten Ballzirkulation und erarbeitete sich alsbald eine klare Feldüberlegenheit. Die Muldestädter waren im Defensivbereich komplett gebunden, ein Offensivspiel der Gastgeber fand zunächst nicht statt. Doch schon in der Anfangsphase deuteten sich bei den Gästen einige Reserven hinsichtlich ihrer Chancenverwertung an. Nach einer Flanke von Denis Vukančić hätte Germania-Torjäger Bocar Baro seine Elf frühzeitig in Führung bringen müssen, doch drückte er die Kugel aus Nahdistanz über den Kasten (8.). Wenig später bedrohten sowohl Nick Poser als auch Pascal Hackethal mit Distanzschüssen ebenfalls das Grimmaer Gehäuse, doch fehlte es beiden an der nötigen Genauigkeit (11., 18.). Doch auch davon ließen sich die Halberstädter nicht aus der Bahn werfen, weiterhin agierten die Gäste mit dem nötigen Druck. Die Platzherren kamen nur äußerst selten zu Entlastungsangriffen – einzig bei einem Versuch von Matty Goldammer erzeugte man einen Hauch von Torgefahr (vorbei, 25.). Ansonsten blieb Halberstadt klar dominant, so dass sich weitere Möglichkeiten zwangsläufig ergaben. Nach einem Freistoß von Edhem Hujdurović strich ein Kopfball von Baro hauchzart am FC-Gehäuse vorbei (29.), 60 Sekunden später fand abermals Baro seinen Meister in Schlussmann Lukas Böhm (30.). „Wir haben bereits frühzeitig eine hohe Intensität mit und ohne Ball an den Tag gelegt. Leider sind wir mit unseren Gelegenheiten schludrig umgegangen“, so Germania-Trainer Manuel Rost. Nichtsdestotrotz ging seine Elf wenig später trotzdem in Führung, welche anhand des Spielverlaufs allemal verdient war. Nach einer präzisen Flanke von Hackethal ließ sich Baro diesmal die Möglichkeit nicht nehmen und köpfte aus zentraler Position zum 0:1 ein (35.). „Ein zweites Tor vor der Pause wäre sicherlich wichtig gewesen, doch spielten wir die eine oder andere Situation etwas unsauber zu Ende“, trauerte Gäste-Coach Rost einen Aktionen seiner Elf bis zum Pausenpfiff nach.
Auch nach dem Seitenwechsel sollte sich am Spielfilm zunächst nichts ändern. Halberstadt blieb die feldüberlegene Mannschaft, die Grimmaer hatten weiterhin große Probleme mit dem Gegner. Allerdings ließen die Nordharzer auch in der Folgezeit zwei riesige Gelegenheiten aus, welche sicherlich eine Vorentscheidung bedeutet hätten. Nach guter Vorarbeit von Poser holte Lunácio Gomes für seinen bereits geschlagenen Torhüter einen Schuss von Baro von der Linie (53.), anschließend zeigte sich Böhm bei einem Versuch von Berkay-Osman Altin auf dem Posten (61.). „Halberstadt band den Sack nicht zu, so dass wir weiterhin im Spiel blieben“, so FC-Coach Behring. „Diesbezüglich wurden bei meiner Truppe in den letzten 25 Minuten noch einmal Kräfte frei, der Glaube an ein positives Ergebnis wurde immer fortan immer größer.“ Die Gastgeber wurden fortan mutiger, mit deutlich mehr Überzeugung ging man nun zu Werke. Nach einer scharfen Eingabe von Goldammer hatten die meisten der FC-Fans bereits den Torschrei auf den Lippen, doch verpasste Tommy Kind die Kugel am zweiten Pfosten hauchzart (69.). Nichtsdestotrotz blieben die Muldestädter in der Folgezeit im Passspiel zu ungenau, um für mehr Torgefahr zu sorgen. Diesbezüglich halfen die Gäste dann jedoch entscheidend mit und gestatteten den Hausherren kurzerhand den Wiedereintritt in die Begegnung. Nach einer eigentlich harmlosen Situation im Halberstädter Strafraum sorgte ein Kommunikations-Problem zwischen Patrick Baudis und Torhüter Lukas Cichos für den Grimmaer Ausgleich, als der Innenverteidiger seinen Schlussmann mit einer Kopfball-Bogenlampe überwand – 1:1 (79.). Die Muldestädter witterten nun Morgenluft, doch musste man erst einmal noch zwei kritische Situationen überstehen. Zunächst rettete Böhm mit einer etwas unkonventionellen Faustabwehr nach einem Schuss von Altin (84.), anschließend pfiff ein Eckball von Hackethal quer durch den Fünfmeterraum und verfehlte sowohl Freund als auch Feind (85.). Es spricht jedoch für die Einheimischen, in der Schlussphase die Partie sogar noch vollends drehen zu wollen, um damit die letztwöchige Niederlage beim Schlusslicht Ludwigsfelde zu tilgen. Und dies gelang auf eindrucksvolle Art und Weise. Als sich Jan Hübner einen Freistoß aus beträchtlicher Position zurechtlegte, rechneten nicht viele der Zuschauer mit einem direkten Versuch. Doch genau dies tat der Techniker und katapultierte die Kugel über die Mauer zum 2:1 ins entlegene Eck (87.). Riesenfreude im Lager der Muldestädter – auf unglaubliche Art und Weise hatte man die Parte gedreht. Kurz darauf hätten die Gastgeber sogar noch die Krone aufsetzen können, doch köpfte Benjamin Förster eine Eingabe von Valentino Schubert knapp am Tor vorbei (90.). Zwar setzte Halberstadt in der Nachspielzeit alles auf eine Karte, doch als Böhm einen Schuss von Baudis parieren konnte (90.+3), sollte der niemals mehr für möglich gehaltene Grimmaer Heimsieg Bestand haben.
Fazit: Kompliment an die personell arg gebeutelte FC-Mannschaft, die mit Überzeugung und Wille ein Heimspiel gewann, was am Ende des Tages eigentlich nicht zu gewinnen war. Dies lag jedoch zu großen Teilen an den Gästen aus Halberstadt, die sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, aus den sich bietenden Möglichkeiten einfach viel zu wenig gemacht zu haben. Für die Grimmaer war es gegen die Nordharzer der erste Oberliga-Heimsieg überhaupt.
Kein Punkt aus Grimma
Grimma. Es mag eine banale Phrase sein, doch Fußball ist nun mal ein Ergebnissport – und hier stehen für den FC zwei Treffer, für den VfB Germania nur ein Tor in der Statistik. Dabei schaffte es der Gastgeber, mit nur einer echten Torchance 2:1 zu gewinnen. Dieses Phänomen muss nun durch die Verantwortlichen analysiert und erklärt werden, ein Unterfangen, um welches man das Team um Manuel Rost nicht beneidet! Der Mannschaft Vorwürfe machen? Weshalb? Sie hat knapp zwanzig (!) Torchancen in diesem Spiel kreiert und absichtlich liegen gelassen haben sie die Möglichkeiten ganz sicher nicht. Der Einsatz stimmte, doch der Ertrag nicht. Man mag allmählich verstehen, weshalb Manuel Rost jüngst beim sicheren Pokalsieg in Elster zürnte, es fehle ihm die Gier, Tore, Tore, Tore schießen zu wollen, wenn sich die Chancen ergeben. In Grimma zeigte sich nun gnadenlos das Fehlen jener Selbstverständlichkeit, mit der man Chancen zu Toren veredelt, jene Selbstverständlichkeit, die man sich in anderen Spielen hätte erarbeiten können, ja müssen... Dann hätte Bocar Baro vielleicht nicht freistehend den einzigen Verteidiger auf der Linie angeschossen (55.), hätte Patrick Baudis vielleicht nicht frei aus sechzehn Metern so schwach abgeschlossen, dass Torwart Böhm den Ball locker fangen konnte (90.+3).
Die Ideen des Trainerteams gingen weitestgehend auf, neunzehn klare Chancen herausgearbeitet, konzentriert und diszipliniert ins Spiel gefunden, dem Gegner den Schneid klar abgekauft. Mehr Überlegenheit geht eigentlich nicht, doch die Tore müssen die Jungs auf dem Platz erzielen. Mangelt es hier eventuell doch an Qualität? Eine Auswahl: Pascal Hackethal bediente Joel Klaschka (7./8.), der einmal knapp verpasste und dessen Schuss danach geblockt wurde. Denis Vukančić bediente von rechts Bocar Baro (9.), der das Kunststück fertigbrachte, aus drei Metern über das Tor zu schießen. Es hätte schon eine klare Führung sein können, bevor der Gastgeber erstmals (16.) überhaupt im Strafraum vor Lukas Cichos auftauchte, aber nicht zum Abschluss kam. Hackethals Freistoß knapp über den linken Giebel (19.), Baros überragender Kopfball in den Lauf von Nick Poser, der präzise Klaschka bediente (22.), dessen Schuss erneut geblockt wurde, Baros Versuch, eine Flanke zu veredeln, die er nur knapp links neben das Tor setzte (30.), sein Schuss aus spitzem Winkel (31.), den Böhm zur Ecke faustete, Baros Service auf Vukančić, der links vorbei zielte (35.), das erlösende Führungstor (36.), als Vukančić klasse nach links verlagerte, „Hacke“ erstklassig auf Baro flankte, dessen schulbuchmäßiger Kopfball zum 0:1 einschlug – bis zur Halbzeit hätten hier längst klare Verhältnisse geschaffen werden müssen!
Die Aufreihung der zweiten Halbzeit könnte hier ähnlich fortgesetzt werden, führt aber zu nichts... Problematisch allerdings auch, dass Grimma nach und nach einige Schlüsselpositionen auf Halberstädter Seite ausschalten konnte, insofern als Vukančić (quälte sich noch bis zur Halbzeit durch), Mateo Martinez (67.) und Dustin Arnold (74.) durch Fouls jeweils so verletzt wurden, dass sie ausgewechselt werden mussten. Dennoch behielten die Halberstädter zunächst die Spielkontrolle und hielten auch am Chancenwucher fest. Dass Baro erneut im Strafraum gefällt wurde (61.) und kein Elfmeter verhängt wurde – man kann es nur mit Kopfschütteln quittieren, ist aber nicht neu. Mit den Wechseln verlor das Spiel des VfB Germania allerdings an Souveränität. Mehr Ballverluste, auch wenn immer wieder zurückerobert wurde, aber das kostete unnötig Kraft und störte den Spielfluss. Und das Drehbuch sah für die Halberstädter kein gutes Ende vor. Vorne ließ man alles liegen und weil Grimma zu harmlos agierte, half man jetzt aktiv: Patrick Baudis hätte genügend Zeit gehabt, per Kopf eine hohe Eingabe nach vorn oder zur Seite in den eigenen Aufbau zu bringen, hatte aber eine andere Idee – leider exklusiv – denn obwohl Lukas Cichos für alle im Stadion laut und vernehmlich „Leo, Leo“ rief und heraus eilte, um den Ball zu fangen, köpfte Baudis mit dem Rücken zum Tor butterweich über seinen Kapitän hinweg ins eigene Netz.(78.). Der FC Grimma ohne Chance, dennoch mit dem Tor zum 1:1! Mehr noch: Mit dem einzigen echten Torschuss (86.), der aus einem zweifelhaften Freistoß hervorsprang, als Klaschka seinem Gegner den Ball abnahm, selbst schmerzhaft getroffen wurde und humpelte, drehte Grimma das Spiel zum 2:1-Sieg. Aus dem linken Halbfeld, weit weg vom Tor, traf Jan Hübner die Kugel optimal und jagte das Spielgerät über die Mauer links neben den Pfosten ins Netz, Cichos streckte sich vergeblich... Shit happens!
Bernd Waldow • VfB Germania Halberstadt
Bilder vom Spiel
Fotos: Karsten Hannover