Lange Zeit war es im Grimmaer Husaren-Sportpark nahezu omnipräsent – das Abstiegsgespenst! Über mehrere Wochen und Monate sah es beim Oberligisten FC Grimma nicht gut aus. Fehlende Konstanz, die teilweise große Unerfahrenheit im Kader sowie eine zeitweise ellenlange Verletztenliste waren die Ursachen dafür, dass die Muldestädter über die meiste Zeit der Saison in der unteren Region der Tabelle zu finden waren. Dass in der Auf- und Abstiegsregelung des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV) vor Saisonbeginn verankert wurde, dass mindestens fünf Absteiger den bitteren Weg zurück auf Verbandsebene antreten müssen, machte die Situation natürlich alles andere als einfacher. Weiterhin war im Verlauf der Saison eindeutig anzumerken, dass die Sommer-Abgänge Christoph Jackisch (FC Eilenburg), Jasper Hoffmann (SC Naumburg) und Oliver Kurzbach (Laufbahn beendet) nicht einmal im Ansatz verkraftet werden und nie adäquat ersetzt werden konnten.
Doch letztlich hatte diese Zittersaison am Ende des Tages doch noch ein Happy-End. Natürlich kam den Muldestädtern dabei entgegen, dass sich zunächst der 1. FC Merseburg im Winter vom Spielbetrieb zurückzog und im Frühjahr der FC Carl Zeiss Jena dem NOFV mitteilte, seine II. Mannschaft für die Saison 2022/23 nicht mehr für die Oberliga melden zu wollen. Dass der SV 09 Arnstadt seine Unterlagen für die kommende Spielzeit beim Verband zu spät einreichte und damit sein Oberliga-Spielrecht verlor, war ein weiterer glücklicher Umstand – doch war dieser Fakt nie so richtig klar. Nichtsdestotrotz waren die Grimmaer, trotz dieser Randfaktoren, weiterhin mittendrin im Abstiegskampf, doch bekamen die Muldestädter in der Endphase der Saison gerade noch rechtzeitig die Kurve. In den letzten acht Begegnungen erspielte man sich 15 Punkte (vier Siege, drei Unentschieden, eine Niederlage) und konnte aufgrund dieses energischen Schlussspurts doch noch den Klassenerhalt realisieren. Dabei spielte es auch keine Rolle mehr, dass die Elf am letzten Oberliga-Spieltag spielfrei der Konkurrenz zuschauen musste – mit einem 3:1-Heimsieg über den FC Oberlausitz Neugersdorf und der zeitgleichen Ergebnisse der Konkurrenten International Leipzig (1:4-Niederlage in Krieschow) und Wacker Nordhausen (3:3-Remis in Bischofswerda) war die Oberliga-Zugehörigkeit für die Spielzeit 2022/23 endgültig vorzeitig gesichert. Aber dennoch – solch eine nervenaufreibende Saison will man an der Mulde so schnell nicht wieder erleben…
Dass es eine sehr schwere Saison werden sollte, zeichnete sich ansatzweise bereits in den Vorbereitungsspielen im Sommer ab. Aufgrund der langen Corona-Pause von knapp einem Dreivierteljahr waren vier der ersten fünf Testgegner mit dem Hallescher FC (0:10), dem 1. FC Lokomotive Leipzig (1:9), dem FC Eilenburg (2:6) und der BSG Chemie Leipzig (0:3) für die Zuschauer zwar äußerst lukrativ, doch kamen sie sportlich einfach zu früh. Weiterhin war diese Vorbereitung weiterhin von diversen Pandemie-Beschränkungen und einigen Corona-Impfungen bei einzelnen Spielern gekennzeichnet, so dass Trainer Alexander Kunert in dieser Phase schon alle Register ziehen musste, um sein Team dementsprechend auf die kommende Oberliga-Saison vorbereiten zu können. Nichtsdestotrotz wuchs sein junges Team gegen Ende der Vorbereitung immer besser zusammen – mit den Neuzugängen Leonhard Wolf (21/Neustadt/Spree), Max Erdmann (19/FC Rot-Weiß Erfurt A-Junioren) und Jakob Funken (22/FC Eilenburg) sowie den aus dem eigenen Nachwuchs aufgerückten Matty Goldammer (18), Lennard Wenzel (18) und Phillip Voigtländer (18) wurde der Kader drastisch verjüngt. Dies spiegeln die Testspiel-Erfolge über die Sachsenligisten Neusalza-Spremberg (3:2) und Stahl Riesa (5:2) wider, als man phasenweise recht guten Fußball spielte und das vorhandene Potenzial zu sehen war.
Nichtsdestotrotz hatten die Muldestädter im Anschluss gewaltige Mühe, um in die Oberliga-Saison hineinzukommen. Zum Start beim FC Rot-Weiß Erfurt lieferte man dem Top-Favoriten über lange Zeit einen offenen Kampf – unterlag trotz zweimaliger Führung im Steigerwaldstadion jedoch mit 2:3. Das anschließende Heimspiel gegen Bautzen durfte aufgrund der gravierenden Chancenvorteile niemals mit 2:3 verloren werden, gegen den damaligen Liga-Primus Union Sandersdorf geriet man erst in der Nachspielzeit auf die Verliererstraße (1:3). Somit war vor dem Auswärtsspiel in Martinroda zum ersten Mal so richtig Druck auf dem Kessel, doch nach einem 2:1-Erfolg im Thüringer Wald konnte man erst einmal leicht aufatmen. Als man dann jedoch daheim gegen Zorbau (2:2) in der Endphase in Überzahl einen eminent wichtigen Heimsieg fahrlässig aus der Hand gab, verpasste es die Mannschaft allerdings, den vorherigen Auswärtserfolg zu vergolden. Zwölf Gegentore in fünf Begegnungen deuteten weiterhin an, wo die Probleme der Muldestädter zu finden waren. Demzufolge legte man auf dem Transfermarkt noch einmal nach. Durch den Ausfall von Leistungsträger Stefan Tröger (Kreuzbandriss in Erfurt) verpflichtete man mit Alexander Irwin (FSV Martinroda) einen weiteren Abwehrspieler. Doch ehe der Kanadier aktiv ins Spielgeschehen eingreifen konnte, vergingen trotz der vorbildlichen und nimmermüden Initiativen von Mannschaftsleiter Matthias Wohllebe sowie Vorstandsmitglied Roland Fleischer noch einige Wochen. Leider war Beiden in einigen Abläufen hinsichtlich der Beschaffung der notwendigen Unterlagen die Hände gebunden, da der Vorgang von den zuständigen Behörden nur sehr langsam vonstattenging. So gingen die Auswärtsspiele in Bischofswerda (1:3) und Nordhausen (2:3) beide verloren, wo die Elf allerdings jeweils stark unter ihren Möglichkeiten blieb. Auch im Heimspiel gegen den VfL Halle (0:3) blieb man ohne Punkte. Einziger Lichtblick in dieser Zeit war der 3:0-Heimsieg über Rudolstadt, als die Mannschaft endlich einmal über die 90 Minuten ein richtig gutes Spiel ablieferte. Ein ganz anderes Gesicht präsentierte die Elf dann in der Sachsenpokal-Begegnung gegen den Regionalligisten Chemnitzer FC (1:9), als bei einem Pausenstand von 1:7 bereits alles erledigt war. Die Situation wurde tabellarisch langsam prekär, doch rückte die Truppe fortan enger zusammen. Das äußerst wichtige Auswärtsspiel beim abgeschlagenen Schlusslicht Merseburg wurde im Anschluss sicher mit 3:0 gewonnen, daheim gegen Fahner Höhe (0:0) war man in der Endphase deutlich näher am Sieg als der Gegner. Leider gelang es der Elf jedoch auch weiterhin nicht, über einige Wochen eine gewisse Konstanz an den Tag zu legen. Nach den vier Punkten aus diesen zwei Begegnungen unterlag man in Neugersdorf mit 0:1 und blieb damit weiterhin in der gefährdeten Zone stecken. Eine Woche vor der erneuten Corona-Pause bündelten die Kunert-Schützlinge jedoch noch einmal alle Kräfte und fuhren gegen Abstiegskonkurrent Arnstadt daheim einen überlebensnotwendigen 3:2-Heimerfolg ein.
Mit der Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs Mitte Januar diesen Jahres wurde angesichts der bedrohlichen Tabellensituation schnell klar, dass man personell noch etwas tun musste. So verließen mit Max Erdmann (Stendal), Felix Mertes (Dessau 05) und Phillip Voigtländer (Colditz) drei Spieler den Verein – mit den Verpflichtungen von Stefan Ronneburg (Merseburg), Goteh Ntignee (Lok Leipzig) und Felix Beiersdorf (Leipziger SV Südwest) erhoffte man, den Oberliga-Klassenerhalt realisieren zu können. Nach drei Testspielen gegen Borea Dresden (6:1), Blau-Weiß Leipzig (6:2) und Eilenburg (1:2) startete man auch fulminant in die Oberliga. Inter Leipzig wurde daheim mit 5:1 deklassiert – beim Mit-Favoriten in Krieschow holte man beim 4:4 ein beachtliches Remis, nachdem man bereits mit 1:3 und 3:4 in Rückstand gelegen hatte. Die Muldestädter schienen auf dem richtigen Weg zu sein, doch die folgenden vier Begegnungen gegen Schwergewichte der Staffel endeten ohne jeglichen Punktgewinn. In Sandersdorf (0:1) schoss man in den 90 Minuten nicht einmal aufs Tor, im Anschluss agierte man daheim gegen Liga-Primus Rot-Weiß Erfurt (1:4) wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange. Eine Woche später war man gegen Plauen (1:2) sehr nach an einem Punktgewinn – in Bautzen (0:2) verstand es die Mannschaft abermals nicht, ihr Potenzial abzurufen. Somit hatte das folgende Heimspiel gegen Martinroda für den weiteren Saisonverlauf eine sehr große Bedeutung – der auf einem direkten Abstiegsplatz liegende Konkurrent lag nur noch zwei Zähler vor dem FC entfernt. Allerdings hielt die Kunert-Elf dem sehr großen Druck abermals stand und bezwang die Thüringer daheim mit 3:1. In Zorbau wollte man anschließend unbedingt nachlegen, doch sprang nach gutem Beginn nur ein 1:1-Remis heraus. Was folgte, war eine Last-Second-Niederlage in Wernigerode (0:1) unter der Woche und ein 1:1-Unentschieden daheim gegen Bischofswerda.
Was direkt nach diesem Heimspiel folgte, war für alle Beteiligten sicherlich nicht schön. In der anschließenden Pressekonferenz erklärte Trainer Alexander Kunert aufgrund persönlicher Gründe seinen sofortigen Rücktritt. Seit Sommer 2018 war der ehemalige Mittelfeldspieler für die Mannschaft verantwortlich – der Oberliga-Aufstieg 2019 sowie der Verbleib in der Spielklasse in den beiden folgenden Spielserien war zu großem Teil sein Verdienst.
Somit musste der Verein schnell einen geeigneten Nachfolger finden, schließlich sollte in den verbleibenden sieben Spielen mit aller Macht die Oberliga gehalten werden. Schließlich konnte mit Steffen Ziffert ein ehemaliger Grimmaer Spieler vom Vorstand überredet werden, der seit Winter bereits als Sportlicher Berater für den Verein tätig war. Dabei gestaltete sich der Auftakt unter Ziffert in Rudolstadt noch äußerst holprig, doch konnte man mit einem 1:1-Unentschieden wenigstens einen Teilerfolg verbuchen. Jedoch gelang es dem früheren Libero mit seiner ruhigen Art, der Mannschaft in den kommenden Wochen jeglichen nervlichen Druck zu nehmen. So wurde das „Sechs-Punkte-Spiel“ daheim gegen Nordhausen mit 1:0 gewonnen, anschließend wurde in Halle beim 0:0 ein weiterer Zähler ergattert. Die Mannschaft erarbeitete sich fortan immer mehr Selbstvertrauen zurück, erst recht als man die Jenaer Reserve daheim ebenfalls mit 3:0 bezwingen konnte. Dass mit Erfolgserlebnissen meist auch das Glück zurückkehrt, bemerkten die Muldestädter eine Woche später in Dachwig. Beim FC An der Fahner Höhe blieben die Grimmaer über lange Zeit unter ihren Möglichkeiten und profitierten davon, dass die Gastgeber einen Elfmeter zum vermeintlichen Ausgleichstreffer verschossen. Letztlich siegten die Ziffert-Schützlinge auch in Dachwig mit 2:0 und hatten sich vor den letzten beiden Begegnungen gegen Neugersdorf und in Arnstadt eine richtige gute Ausgangsposition geschaffen. Allerdings hatte man eine Woche später gegen die Oberlausitzer eine harte Nuss zu knacken – Neugersdorf war in der ersten Hälfte besser und führte verdient mit 0:1. Doch in der zweiten Hälfte steigerten sich die Muldestädter vehement und drehten die Partie letztlich noch verdientermaßen in einen 3:1-Sieg um. Als man im Grimmaer Lager im Anschluss die Handys zückte und auf die Ergebnisse aus Krieschow und Bischofswerda wartete, traute man seinen Augen kaum. Sowohl Inter Leipzig als auch Nordhausen hatten ihre Begegnungen nicht siegreich gestaltet – Grimma hatte mit diesem Erfolg vorzeitig den Oberliga-Klassenerhalt realisiert. Da spielte es auch keine Rolle mehr, dass man die letzte Partie in Arnstadt mit 1:4 verlor – Zifferts einzige Niederlage als FC-Coach. Natürlich wollte man sich zum Abschluss in Thüringen anders präsentieren und die Saison erfolgreich abschließen, doch war in Arnstadt frühzeitig zu sehen, dass die Elf einfach keine Einstellung zu dieser Partie fand. Zweifellos war die Laune der FC-Verantwortlichen nach diesem letzten Spiel nicht die Beste – doch angesichts des erreichten Saisonziels war diese Niederlage gerade noch zu verschmerzen. Über das Wie wurde jedoch im Anschluss natürlich ausgiebig mit der Truppe geredet!
Somit beendeten die Muldestädter diese extrem nervenaufreibende Saison nach Anwendung der Quotientenregel auf dem 13. Platz, so dass auch in der kommenden Saison Oberliga-Fußball in Grimma zu erleben ist. Ziel muss es nun natürlich sein, den Kader qualitativ so aufzustellen, dass die kommende Spielzeit bedeutend sorgenfreier abläuft. Ein großer Dank gilt allen Beteiligten – der Mannschaft, dem Trainer- und Funktionsteam, den Vorstandsmitgliedern. Alle haben ihren Beitrag dazu geleistet, dass der Klassenerhalt realisiert werden konnte. Und nicht zu vergessen: Vielen Dank auch an Ex-Trainer Alexander Kunert, der am Klassenerhalt ebenfalls einen großen Anteil besitzt!
Tom Rietzschel
Einsätze: Wolf (28), Schwarz (27), Ziffert, Wiegner, Griesbach (alle 26), Sommer, Hübner, Bartsch, Goldammer (alle 24), Konzok (22), Mattheus (20), Funken (19), Birkigt (16), Becker, Markus (beide 15), Brand (14), Ronneburg (13), Ntignee, Beiersdorf (beide 12), Kunath (11), Erdmann, Ruppelt, Irwin (alle 9), Mertes, Wenzel (beide 7), Käseberg (6), Tröger, Kögel, Jentzsch (alle 1)
Einwechslungen: Griesbach (11), Wolf (10), Erdmann (9), Goldammer (8), Ruppelt, Mattheus, Wenzel (alle 7), Konzok, Käseberg, Funken (alle 6), Sommer, Hübner, Mertes (alle 5), Markus, Wiegner, Kunath (alle 4), Ntignee (3), Beiersdorf (2), Becker, Schwarz, Ronneburg, Kögel, Jentzsch (alle 1)
Auswechslungen: Griesbach, Goldammer (beide 12), Hübner, Wiegner, Funken (alle 9), Markus, Wolf, Ronneburg, Beiersdorf (alle 7), Sommer, Konzok, Mattheus, Ntignee (alle 5), Bartsch (4), Schwarz (3), Ziffert, Brand, Mertes, Ruppelt, Irwin (alle 2), Tröger, Kunath (beide 1)
Tore: Wiegner (10), Funken, Brand (beide 6), Sommer, Griesbach (beide 4), Schwarz, Hübner, Irwin (alle 3), Ronneburg (2), Markus, Ziffert, Mertes, Ruppelt, Mattheus, Beiersdorf, gegnerische Selbsttore (alle 1)
Gelbe Karten: Schwarz (10), Hübner (8), Wiegner (7), Griesbach (6), Ziffert, Wolf (beide 4), Brand, Mattheus, Bartsch, Beiersdorf (alle 3), Funken, Ntignee (beide 2), Mertes, Kunath, Konzok, Ronneburg (alle 1)
Gelb-Rote Karten: Schwarz (1)
Rote Karten: Birkigt (1)
Heimbilanz:
15 Spiele • 7 Siege, 3 Unentschieden, 5 Niederlagen
Tore: 29:23 • Punkte: 24 • Platz: 6
höchster Heimsieg: 5:1 gegen FC International Leipzig
höchste Heimniederlage: 1:4 gegen FC Rot-Weiß Erfurt
meiste Zuschauer: 310 gegen FC Rot-Weiß Erfurt
wenigste Zuschauer: 68 gegen SV Blau-Weiß Zorbau
Zuschauerschnitt: 138 pro Heimspiel • Platz: 16
Auswärtsbilanz:
14 Spiele • 2 Siege, 4 Unentschieden, 8 Niederlagen
Tore: 16:25 • Punkte: 10 • Platz: 16
höchster Auswärtssieg: 2:0 beim FC An der Fahner Höhe
höchste Auswärtsniederlage: 1:4 beim SV 09 Arnstadt
meiste Zuschauer: 2.494 beim FC Rot-Weiß Erfurt
wenigste Zuschauer: 80 beim SV 09 Arnstadt
Zuschauerschnitt: 349 pro Auswärtsspiel • Platz: 7