Seit der Saison 2016/17 steht der Grimmaer Schiedsrichter Alexander Sather auf der Liste des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) für die Leitung von Fußballspielen in der 2. Bundesliga. In insgesamt 47 Begegnungen kam der Sohn des ehemaligen FIFA- und Bundesliga-Linienrichters Harald Sather (61) seit Sommer 2016 im deutschen Unterhaus bisher zum Einsatz – auch in dieser Saison leitete er in Liga zwei bereits fünf Begegnungen. Doch am letzten Sonntag erlebte der 35-Jährige etwas, mit was er im Vorfeld mit Sicherheit nicht unbedingt rechnen konnte.
In der 1. Bundesliga als Vierter Offizieller in der Begegnung zwischen Hertha BSC Berlin gegen dem 1. FC Köln angesetzt, übernahm Sather mit Beginn der zweiten Halbzeit die Spielleitung und kam so völlig unerwartet zu seinem Debüt im deutschen Fußball-Oberhaus. Der Grund dafür ist recht simpel. Schiedsrichter Tobias Stieler (Hamburg) hatte sich in der ersten Halbzeit eine Zerrung zugezogen, was seinen Einsatz für die zweite Hälfte unmöglich machte. Laut Regularien des DFB übernimmt in einem solchen Fall der Vierte Offizielle die Spielleitung, so dass sich Alexander Sather quasi „aus der Kalten“ seiner Feuertaufe in der 1. Fußball-Bundesliga unterzog. Und eins vorab: Er meisterte diese Aufgabe mit Bravour! Alexander Sather ist nach Wieland Ziller (Königsbrück) damit der zweite Schiedsrichter aus dem Freistaat Sachsen, der in der 1. Bundesliga zum Einsatz kam. Ziller hatte von Dezember 1990 bis November 1994 insgesamt 42 Einsätze im Oberhaus zu verzeichnen.
FC Grimma: Alex, erst einmal Glückwunsch des FC Grimma, zu deinem ersten Einsatz im deutschen Fußball-Oberhaus – auch wenn er für Dich sicherlich etwas überraschend kam. Schiedsrichter Tobias Stieler verletzte sich im Verlauf der ersten Halbzeit. Zeichnete sich dies bereits während der ersten 45 Minuten ab oder kam dies zur Pause völlig überraschend?
Alexander Sather: „Nein, es passierte wohl beim letzten Sprint in der ersten Halbzeit. Ein ‚Vorzeigeathlet‘ wie Tobias Stieler ist eben auch nur ein Mensch und ich hoffe sehr, dass er schnellstmöglich der Bundesliga wieder zur Verfügung steht. Daher auch nochmal GUTE BESSERUNG an dieser Stelle.“
FC Grimma: Wie gestaltete sich für Dich die Halbzeitpause? Welche Vorkehrungen waren zu treffen?
Alexander Sather: „Beim Gang in die Kabine wurde schnell klar, dass es für mich jetzt ernst werden könnte. Tobias wurde zunächst von unserem Physiotherapeuten erstversorgt. Aber nach etwa fünf bis zehn Minuten nach dem Halbzeitpfiff stand fest, dass ich die Spielleitung übernehmen werde. Danach musste alles ganz schnell gehen; raus aus der warmen und wetterfesten Kleidung eines Vierten Offiziellen, rein in die Funktionsbekleidung eines Lizenzliga-Schiedsrichters. Und dazu gehören auch sämtliche technische Hilfsmittel wie Sprechfunk zu dem Schiedsrichterteam, aber auch zum Video-Assistenten in Köln, Goal-Line-Uhr für die Torlinientechnologie, Empfänger für die Funkfahnen der Schiedsrichter-Assistenten, Freistoßspray und natürlich nicht zu vergessen die Pfeife. Und das Ganze noch im Laufschritt, weil die Wege in den Berliner Katakomben recht lang sind.“
FC Grimma: Die Vorbereitungszeit für die Spielleitung war natürlich äußerst kurz. Die Aufgaben eines Vierten Offiziellen sind gewiss etwas andere, als die eines Schiedsrichters. Wie schwer war es für Dich, sich von jetzt auf gleich umzustellen?
Alexander Sather: „Viel Zeit zur individuellen Vorbereitung blieb natürlich nicht. Das Hauptaugenmerk lag auf dem Austausch mit Tobias zu allen spielrelevanten Situationen, um den Schiedsrichterwechsel für alle Beteiligten so harmonisch wie möglich zu gestalten. Die Anforderungen der mir übergebenen Aufgabe waren mir ja aber durch die vielen Einsätze als Schiedsrichter in der 2. Bundesliga sehr wohl bekannt. Durch die langjährige Erfahrung funktioniert man einfach.“
FC Grimma: Wie groß war Dein Lampenfieber, als Du den Rasen des Berliner Olympiastadions zu Beginn der zweiten Halbzeit betreten hast?
Alexander Sather: „Ich gebe gern zu, eine höhere Anspannung als bei den an mich üblich gestellten Aufgaben war schon vorhanden, aber die legte sich schnell, da das Tempo im Spiel einen schon schnell fordert und man sich auf die komplexen Spielsituationen fokussieren muss.“
FC Grimma: Wie haben die Spieler der Teams zu Beginn der zweiten Halbzeit reagiert?
Alexander Sather: „Schon leicht verwundert, weil das ja auch für die Spieler und alle Beteiligten keine so häufige Situation ist und zum Glück auch nicht so oft vorkommt.“
FC Grimma: Inwiefern ist es in solch einer Situation ein Vorteil, wenn man die Spieler und Offiziellen der Teams durch die diversen Einsätze als Vierter Offizieller bereits kennt?
Alexander Sather: „Das ist auf jeden Fall ein sehr großer Vorteil ein bekanntes Gesicht zu sein, ganz gleich ob im Einsatz als Vierter Offizieller, als Assistent oder selber als Schiedsrichter bei diversen Freundschaftsspielen. Aber meine ‚Feuertaufe‘ musste ich in den ersten Minuten der zweiten Halbzeit natürlich durchlaufen. Die Spieler testen sehr schnell nach dem Wechsel der Spielleitung ihre Grenzen aus, um den neuen Schiedsrichter abzuchecken.“
FC Grimma: Worin siehst Du nach Deinem ersten Einsatz im Oberhaus die größten Unterschiede als Schiedsrichter zwischen der 1. und 2. Bundesliga?
Alexander Sather: „Nach ‚nur‘ 45 Minuten kann ich da im Grunde keine solide Aussage treffen. Ich würde aber sagen, dass die Spielgeschwindigkeit, die Komplexität der Spielsituationen und vor allem auch das mediale Interesse enorm hoch sind. Es sind diese Punkte, wonach die 1. Bundesliga ihrem Ruf, eine der besten Ligen der Welt zu sein, aus meiner Sicht gerecht wird.“
FC Grimma: Du bist jetzt 35 Jahre alt und leitest seit sechs Spielzeiten Begegnungen in der 2. Bundesliga. Was sind Deine lang- und kurzfristigen Ziele als Schiedsrichter?
Alexander Sather: „Langfristig ist es natürlich mein Ziel, so lange wie möglich meinen Traum als Schiedsrichter im Profibereich weiter träumen zu dürfen.“
FC Grimma: Hand aufs Herz – wieviel Nachrichten hattest Du im Anschluss auf Deinem Handy?
Alexander Sather: „Unzählige! So viele, dass auf der Rückfahrt sogar mein Handy-Akku schlapp gemacht hat. Die Nachrichten und Anrufe waren ausschließlich positiv, das motiviert schon für die nächsten Aufgaben, aber man sollte seine Rolle als ‚Ersatzmann‘ nicht gesteigertem Wert beimessen…. getreu dem Motto ‚neues Spiel, neues Glück‘.“
Alex, vielen Dank für das kurze Gespräch. Wir vom FC Grimma sind sehr stolz, solch einen Sportfreund in unserem Verein zu haben!
Interview: Tom Rietzschel