Im Alter von 22 Jahren bereits bei sieben Vereinen gespielt zu haben, klingt nach einer jetzt schon bewegten Karriere. Diese war es beim Grimmaer Max Keßler auch, der vor allem in seiner Zeit als Jugendspieler schon einiges gesehen hat. In insgesamt fünf Nachwuchsleistungszentren gab er seine Visitenkarte ab, im Herrenbereich ist er seit drei Jahren beim Regionalligisten BSG Chemie Leipzig heimisch geworden. Doch der Fußball ist nicht das einzige, worauf beim Offensivspieler der Fokus liegt. Neben der Familie liegt ein ganz großer Schwerpunkt bei ihm zusätzlich noch auf seiner Ausbildung als Bankkaufmann, welche er bei der Raiffeisenbank Grimma absolviert.
Im Alter von vier Jahren begann Max Keßler bei den Bambinis des SV 1919 Grimma dem runden Leder nachzujagen. Unter der Leitung von Mario Banko und Lutz Weyde machte er die ersten Schritte auf dem grünen Rasen. Schon recht früh realisierte man, dass man ein außergewöhnliches Talent in den eigenen Reihen hatte. „Bereits im Kindesalter hat er sowohl im Training als auch im Wettkampf immer alles aus sich herausgeholt. Frühzeitig war daher schon zu erkennen, dass es Max bei konsequenter Förderung fußballerisch weit bringen könnte“, erinnert sich Trainer Lutz Weyde, der bis heute für die Bambinis des FC Grimma verantwortlich ist. „Max war damals unser bester Spieler – er bestach schon extrem früh durch seine Spielintelligenz und Technik. Da es zu dem Zeitpunkt noch keinen Spielbetrieb im G-Junioren-Bereich gab, haben wir als Bambinis im Spielbetrieb der F-Junioren teilgenommen. Dass er in dieser Liga Torschützenkönig wurde, sagt wohl vieles über sein Talent aus.“
Im Anschluss kickte Keßler unter Trainer Manfred Panke in der F-Jugend der Muldestädter, als die ersten höherklassigen Vereine auf ihn aufmerksam wurden. „Es bestand die Möglichkeit entweder zum FC Sachsen oder zum 1. FC Lokomotive Leipzig zu wechseln“, erinnert sich der Offensivspieler. „In Absprache mit meinen Eltern fiel die Wahl auf den 1. FC Lok, da sich Trainer Matthias Wistuba sehr intensiv um mich bemühte und der Verein ein Nachwuchsleistungszentrum hatte, was der FC Sachsen nicht besaß. Dort spielte ich unter anderem mit Tony Majetschak (heute Erzgebirge Aue), Kilian Senkbeil (heute FC Bayern München II) und Niklas Hadaschik (heute Inter Leipzig zusammen).“ In Probstheida kickte Keßler von 2008 bis 2010, ehe der nächste ambitionierte Verein auf ihn aufmerksam wurde.
RB Leipzig, erst im Jahr 2009 gegründet, hatte in der großen weiten Fußballwelt ambitionierte Ziele und stellte in den kommenden Jahren einen Top-Nachwuchsbereich zusammen. Dazu übernahm man die komplette Jugendabteilung des damals insolventen FC Sachsen Leipzig und verpflichtete zusätzlich eine Reihe von hochtalentierten Nachwuchsspielern aus der Region und ganz Sachsen. Dazu gehörte auch Keßler, der mit dem Wechsel den nächsten Schritt in seiner Karriere machen wollte. „Ich sah damals bessere Aussichten als bei Lok mich sportlich weiterentwickeln zu können, zumal der Verein langfristig Großes vorhatte“, erinnert sich Keßler. Neben einer grandiosen Bezirksliga-Saison mit 22 Siegen aus 22 Begegnungen sowie einem Torverhältnis von 236:13 legte man bei RB Leipzig damals einen sehr großen Wert auf die Teilnahme hochklassiger Hallen- und Freiluftturniere. Dort konnte man sich mit den „Großen“ messen, die RB-Talente konnten sich zusätzlich ins Schaufenster ambitionierter Bundesliga- oder Zweitliga-Vereine stellen. So kam es auch, dass Keßler nur eine Saison am Cottaweg blieb.
„Ich wechselte im Sommer 2011 zu Hertha BSC, die auf einem unserer vielen Turniere auf mich aufmerksam geworden waren“, schwelgt Keßler in Erinnerungen. „Der damalige Trainer Christian Freynik rief damals höchstpersönlich bei meinen Eltern an und erkundigte sich nach mir. Im Anschluss ging alles sehr schnell und ich bin nach Berlin gewechselt, wo ich im Internat untergebracht war.“ Im Nachgang betrachtet er diese Zeit bei Hertha jedoch als äußerst schwierig. „Ich hatte frühzeitig Heimweh, eigentlich hat es mir an allem gefehlt. Ich habe meine Freunde und meine Familie vermisst, richtig glücklich wurde ich in Berlin nicht. Nichtsdestotrotz hat mich auch dieser Umstand persönlich weiterentwickelt, wovon ich noch heute profitiere.“
Frühzeitig erkannten seine Eltern den Zustand ihres Sohnes, zumal auch Keßler selbst wieder nach Hause wollte. Eine Rückkehr in heimische Gefilde war daher unumgänglich, zur Saison 2012/13 kehrte das Talent zu RB Leipzig zurück, wo er drei Spielzeiten verblieb. Höhepunkt in dieser Zeit bei den Leipzigern war sicherlich der Gewinn des Sächsischen Landespokals der C-Junioren unter Trainer Sebastian Kegel, der heute für die Nachwuchs-Abteilung RB’s verantwortlich ist. In seinem ersten B-Jugend-Jahr kam der Flügelflitzer in der Bundesliga unter Trainer Sebastian Hoeneß (heute Trainer TSG 1899 Hoffenheim) dann jedoch nie so richtig aufs Trapez. Eine langwierige Verletzung warf ihn stark zurück, auch im Anschluss daran blieben seine Einsatzzeiten überschaubar. Um wieder Spielpraxis zu sammeln und vor allem um weiterhin für die Sächsische Landesauswahl berücksichtigt zu werden, entschloss sich Keßler abermals den Verein zu wechseln. „Alle meine damaligen Auswahltrainer Wolfgang Grunert, Olaf Kaplick und Jörg Wunderlich haben da über Jahre sehr genau hingeschaut“, so Keßler.
Die Wahl fiel auf Dynamo Dresden. „Ich bin Dynamo heute noch sehr dankbar, dass dies damals geklappt hat“, erinnert sich Keßler. „Ich hatte dort die Möglichkeit wieder zu spielen und dann sogar wieder in der höchsten Spielklasse – der B-Jugend-Bundesliga.“ Um seine Schule am Sportgymnasium beenden zu können, unterschrieb Keßler bei den Elbestädtern für drei Jahre. Dort war er Dynamo-Internat untergebracht und trug in der Folgezeit maßgeblich zum Bundesliga-Klassenerhalt sowie zum Sieg im Sächsischen Landespokal bei. Sein damaliger Dynamo-Trainer Tino Gaunitz erinnert sich: „Max kam als selbstbewusster Spieler von RB Leipzig zu uns, welcher sich in kürzester Zeit in unser Team integriert hat. Er war ein damals ein absoluter Leistungsträger und demzufolge ein ganz wichtiger Bestandteil einer sehr gut funktionierenden Mannschaft. Imponiert hat mir vor allem sein unbändiges Kämpferherz, seine enorme Laufbereitschaft und vor allem seine extrem positive Einstellung. Ich verfolge seine positive Entwicklung noch heute.“ Ein ähnliches Fazit zieht auch der ehemalige Grimmaer Oberliga-Spieler Ragnar Zaulich, welcher seit Jahren DFB-Stützpunkt-Trainer in der Muldestadt ist: „Ich habe Max im Stützpunkt als fußballverrückten Jungen kennengelernt, der alle gestellten Aufgaben mit einer hundertprozentigen Leistungsbereitschaft und Einstellung absolviert hat. Imponiert hat mir, wie lernwillig und ehrgeizig er damals schon war, was bis heute so geblieben ist.“ In dieser angesprochenen Bundesliga-Saison kam Keßler auf 21 (von 26) Einsätze und erzielte dabei drei Treffer.
Im folgenden Jahr sollte seine Dynamo-Zeit jedoch abrupt enden. Mit Trainer Matthias Lust (heute Co-Trainer SV Sandhausen) kam Keßler überhaupt nicht zurecht, über die Rolle als Einwechselspieler kam er nicht hinaus. Durch die Teileinsätze sichtbar unzufrieden, kam es im Winter zum Disput zwischen Trainer und Spieler – einen Kampf, den Keßler nicht gewinnen konnte. In der Rückrunde kam er nur noch auf eine Einsatzzeit von ganzen zwei Minuten, oftmals stand er gar nicht im Kader oder kam über die Rolle des Bankdrückers nicht hinaus. „Im Nachgang bin ich natürlich selbst schuld, dass meine Dynamo-Zeit so zu Ende ging. Heutzutage würde ich sicherlich vieles anders machen“, resümiert Keßler diese Zeit. Nichtsdestotrotz kann er sich durchaus als Bestandteil der Mannschaft sehen, welche wiederum den Klassenerhalt in der Bundesliga realisierte und wiederum den Sächsischen Landespokal gewann.
Um in seinem letzten Nachwuchsjahr jedoch wieder Spielpraxis zu bekommen, wechselte er zum FC Erzgebirge Aue. Dort traf er mit Trainer Marc Hensel auf einen alten Bekannten, mit dem er bereits bei Dynamo Dresden zusammengearbeitet hatte. Sofort fand er in der Regionalliga in Aue zu alter Stärke zurück, absolvierte 21 von 26 Begegnungen und trug somit maßgeblich zum Klassenerhalt der Erzgebirgler bei. In dieser Saison kassierte Keßler jedoch seinen einzigen Feldverweis seiner Karriere, als er bei Hansa Rostock aufgrund groben Foulspiels mit Rot vom Platz gestellt wurde. Da jedoch die Chance im Anschluss extrem gering war, in den Zweitliga-Kader der Herren zu gelangen und es eine Reserve-Mannschaft in Aue seit Jahren nicht mehr gab, musste sich der damals 19-jährige erneut nach einer Alternative umsehen, um im Herrenbereich Fuß fassen zu können.
Der damalige Regionalliga-Absteiger Chemie Leipzig griff zu, dessen Co-Trainer Christian Sobottka kannte Keßler aus diversen Lehrgängen im DFB-Stützpunkt. „Die Leutzscher waren für mich eine gute Plattform. Der Verein hatte ambitionierte Ziele und wollte sofort wieder aus der Oberliga raus“, resümiert der Offensivspieler seine Anfänge im Herrenbereich. „Ich hatte die Möglichkeit zu spielen und dann noch Woche für Woche vor einer großen Zuschauerkulisse. Dies hat meinen Entschluss, zu Chemie zu wechseln, zusätzlich beeinflusst.“ In Leutzsch angekommen, war er erst einmal überrascht ein bekanntes Gesicht zu sehen. „Ich habe über Jahre viele Herrenspiele des FC Grimma in der Sachsenliga verfolgt, von wo ich deren Teammanager Tom Rietzschel natürlich kannte. Aber auf einmal stand er in Leutzsch vor mir – ich musste erstmal genau hinschauen, ob er das auch wirklich ist“, berichtet Keßler leicht augenzwinkernd. Bei den Chemikern fügte er sich problemlos ins Mannschaftsgefüge ein, seine offene Art imponiert bis heute. Trainer Dietmar Demuth kann ebenfalls nur positiv über den Jungspund berichten: „Für das er aus dem A-Juniorenbereich damals zu uns stieß, war er schon sehr weit. Max hat über alles, was ein moderner Fußballer haben muss. Er besitzt gute Technik, verfügt über eine ordentliche Grundschnelligkeit, hat eine gute Übersicht und allem keine Angst. Es war frühzeitig zu erkennen, dass er aus den diversen Nachwuchsleistungszentren überall etwas mitgenommen hat. Hinzu kommt, dass er einen tollen Charakter besitzt – heutzutage nicht alltäglich! Insgesamt hat Max sehr gut in die Truppe reingepasst und sich damals problemlos integriert. Es hat mir als Trainer sehr viel Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten.“ Unter dem früheren Bundesliga-Trainer vom FC St. Pauli war Keßler in der Stammelf gesetzt, auch unter dessen Nachfolger Miroslav Jagatić bekam Keßler in der Oberliga weitestgehend immer wieder seine Einsatzzeiten. Mit 27 (von 30) Spielen und vier Treffern trug er maßgeblich zum Wiederaufstieg der BSG Chemie Leipzig in die Regionalliga bei. „Neben dem Aufstieg waren zusätzlich die DFB-Pokalspiele gegen die Zweitligisten Jahn Regensburg und SC Paderborn absolute Highlights meiner Karriere“, fasst Keßler zusammen. „Der 2:1-Sieg gegen Regensburg, als die Fans anschließend vor Freude den Platz stürmten, die Atmosphäre unter Flutlicht gegen Paderborn, obwohl wir mit 0:3 verloren – unfassbar und nicht zu toppen.“
In der darauffolgenden abgebrochenen Regionalliga-Saison 2019/20 kam Keßler zwar auf 21 (von 24 Begegnungen), doch absolvierte er keines davon über die vollen 90 Minuten. Sehr oft eingewechselt, erwies er sich dabei vielmehr als Joker und sorgte allzu oft für frischen Wind im Offensivbereich. Zwei Treffer und vier Torvorlagen unterstreichen dies eindrucksvoll. „Der Derbysieg gegen Lok Leipzig geht mir heute noch unter Haut, ich dachte nach dem 2:0 kracht der Norddamm zusammen.“
Zur neuen Saison war Keßler allerdings wieder in der Stammformation drin. „Max spielte eine klasse Vorbereitung und hatte sich seinen Platz in der Startelf absolut verdient“, blickt Chemie-Assistenztrainer Christian Sobottka zurück. In den ersten sechs Begegnungen spielte er von Beginn an, wenig später fiel er krankheitsbedingt etwas zurück. Nichtsdestotrotz verliert Coach Miroslav Jagatić nur positive über seinen Flügelflitzer: „Erst einmal zolle ich Max großen Respekt, wie er die Doppelbelastung Ausbildung und Fußball unter einen Hut bekommt. Insgesamt ist er ein guter Regionalliga-Spieler mit viel Potenzial. Hätte er nur den Fußball, könnte er vielleicht noch ein paar mehr Prozent aus sich herauskitzeln, doch es spricht für ihn, dass er auch beruflich seinen Weg geht.“ Auch charakterlich ist Jagatić sehr angetan: „Max ist menschlich ein richtig guter Junge, der klasse erzogen ist und zum Fußball – egal ob Training oder Wettkampf – immer die bestmögliche Einstellung an den Tag legt. Insgesamt macht es mir großen Spaß, mit ihm zu arbeiten.“
In der Hoffnung, dass die Regionalliga-Saison bald fortgesetzt wird, überlässt Keßler nichts dem Zufall und bereitet sich sehr gewissenhaft vor. „Neben unseren Trainingseinheiten in Leutzsch mache ich in Grimma zusätzlich noch individuelle Läufe sowie Kräftigungs- und Stabilisationsübungen, um gut für den Re-Start vorbereitet zu sein.“ Natürlich ist die Doppelbelastung nicht ganz so einfach, „doch meine Freundin und meine Eltern geben mir zusätzlich Halt, Kraft sowie jede Menge Energie und sind mir diesbezüglich Tag für Tag eine extrem wichtige Hilfe. Darüber bin ich ihnen sehr dankbar!“
Steckbrief:
Name, Vorname: Keßler, Max
Geburtsdatum: 20.01.1999
Geburtsort: Grimma
Familienstand: ledig
bisherige Vereine: SV 1919 Grimma (07/2004 – 06/2008), 1. FC Lokomotive Leipzig (07/2008 – 06/2010), RB Leipzig (07/2010 – 06/2011), Hertha BSC Berlin (07/2011 – 06/2012), RB Leipzig (07/2012 – 06/2015), SG Dynamo Dresden (07/2015 – 06/2017), FC Erzgebirge Aue (07/2017 – 06/2018), BSG Chemie Leipzig (seit 07/2018)
Foto: Christian Donner @ BSG Chemie Leipzig